Die Argolis dürstet. Seit Menschengedenken leidet die ansonsten fruchtbare Ebene unter Wassermangel. Von Oktober 1999 bis Juli 2000 sind in der Argolis nur 290 mm Regen gefallen! Im ganzen Jahr 2001 nur 350 Millimeter. (Siehe zum Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern auch unser Regendiagramm) 2002 und 2003 waren die Regenmengen zwar etwas reichlicher, aber trotzdem nicht ausreichend. Dabei fließt das Wasser sozusagen vor der Tür: Die Hochebenen rund um Tripoli, wo es immer reichlich Niederschläge gibt, haben größtenteils keinen natürlichen Abfluss. Das Wasser sucht sich seinen Weg durch das Karstgestein und tritt einige hundert Meter tiefer entweder an Land oder im Meer wieder zutage. Während die Quellen an Land schon immer genutzt wurden, mussten die Bauern jahrhundertelang zusehen, wie sich das wertvolle Nass in das Meer ergoss. Pausanias, der erste große Reiseschriftsteller Europas, beschrieb schon im zweiten Jahrhundert, dass die Bauern der Argolis dem Meeresgott Poseidon Pferde opferten, um eine Süßwasserquelle im Meer in der Nähe des Ortes Kiveri auf das Land zu holen.
Ein deutscher Ingenieur, Dr. Wolfgang Ständer, der lange in München gelebt hat, las dies in den 50er Jahren und war von der Idee besessen, diese Quelle, die immerhin 10 bis 12 Kubikmeter Wasser pro Sekunde bringt, nutzbar zu machen. Jahre brachte er damit zu, das Projekt bis zur Verwirklichung zu treiben. Nicht wenige Schwierigkeiten mussten gemeistert, Skeptiker überzeugt werden. Ende der 60er Jahre begann der Bau, und 1972 wurde die Anlage eingeweiht. Dabei hatte Ständer erhebliche Probleme mit der Militärjunta, wurde später denunziert, mit der Junta zusammengearbeitet zu haben... Man wollte ihn gar um das vereinbarte Honorar prellen.
Ein Damm, dessen Einzelteile als Caissons in Piräus gefertigt wurden, umschließt die Quelle. Der Wasserspiegel innen muss ständig ca. 1 m höher sein als der Meeresspiegel, um zu verhindern, dass Salzwasser von außen eindringt. Ausgerechnet bei den letzten beiden Caissons  wäre es beinahe zur Katastrophe gekommen, als hoher Seegang die Caissons fast zum Kentern brachte.

"Anavalos" Kiveri - Süßwasserquelle im Meer
Ein deutscher Ingenieur brachte sie ans Land

Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, die Caissons untereinander so abzudichten, dass sie auch Erdbeben standhalten und trotzdem dicht bleiben. Dazu erfand Dr. Ständer eine spezielle Lippendichtung.
Vier gewaltige Pumpen können je vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde in das Bewässerungssystem einspeisen. Es ist ausreichend, wenn zwei von ihnen arbeiten. Da hat man eine in Reserve, und an der vierten könnte etwas geschraubt werden. Über mehreren Speicherbecken läuft das Wasser dann über ein ausgeklügeltes Kanalsystem mittlerweile über mehr als 50 km bis nach Iria auf der anderen Seite des Argolischen Golfs.
Dr. Wolfgang Ständer, der die Quelle von Kiveri auf das Land geholt hat, schwor auf die Wasserqualität und trank selbst gern bei seinen Besuchen einen Schluck vom kühlen Nass, um sich von der Reinheit des Wassers zu überzeugen. Er war der Meinung, dass man mit weiteren Aufschlüssen von anderen Quellen das Trinkwasserproblem für viele Regionen lösen könnte. Erste Voraussetzung wäre allerdings, dass alle Pumpen laufen...
...denn fast immer läuft mehr Wasser in das Meer, als für das Bewässerungssystem gefördert wird. Statt das gute Wasser von der Quelle zu nutzen, kauften viele Bauern jahrelang von Brunnenbesitzern Wasser, das zunehmend durch Salz und Pestizide belastet war. Mittlerweile schwören alle auf das gute Wasser von Kiveri. Mit einem großangelegten Programm wollte die Nomarchia der Argolis das Wasserproblem schon mehrfach in Angriff nehmen...aber es ist bei Lippenbekenntnissen geblieben. Rohrleitungen sind an vielen Stellen undicht, Wasser läuft unkontrolliert in die Landschaft.
Nur wenige Kilometer südlich von Kiveri, kurz vor Astros, gibt es eine weitere gewaltige Quelle im Meer, die im Frühjahr pro Sekunde bis zu 40 Kubikmeter Wasser liefert. Wenn das Meer ruhig ist, kann man sie sehr gut sehen. Sie heißt bei den Ortsansässigen "das Auge von Lileiika" - nach der Siedlung hier benannt. Sie sprudelt nicht so kontinuierlich wie die von Kiveri, bringt aber schätzungsweise im Jahr eine Milliarde Kubikmeter. Das wäre nach Meinung von Wolfgang Ständer schon fast ausreichend für Athen...
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Der Ingenieur hatte auch noch ganz andere Pläne. Das Schilf, das in Griechenland allerorten sprießt und wenn es einigermaßen bewässert wird, bis zu 7 Meter im Jahr wächst, wäre nach seiner Meinung ein idealer Energieträger zur Produktion von Elektroenergie in kleinen regionalen Biomassekraftwerken gewesen. Und Wasser zur Bewässerung des Schilfs gibt es ja - so Dr. Ständer - bekanntlich genug auf dem Peloponnes...
Der geniale Ingenieur, Professor Dr. Wolfgang Ständer ist 2008 in München verstorben. Es war ihm nicht mehr vergönnt seine großartigen Ideen für Biomasse-Kraftwerke zu verwirklichen. Offenbar war die Atomstrom-Lobby stärker...Es ist an der Zeit, dass für den visionären Ingenieur wenigstens an der Quellfassung in Kiveri eine Gedenktafel angebracht wird. Die Bauern der Argolis schulden ihm viel. Orangen aus der Argolis sind eigentlich ohne das Werk von Wolfgang Ständer gar nicht denkbar. Und ein besserer pfleglicher Umgang mit dem Lebenswerk eines genialen Ingenieurs wäre auch angebracht.